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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 17.01.2005
Aktenzeichen: 8 Ta 276/04
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5 Abs. 4 S. 2
ArbGG § 78 S. 1 n. F.
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 569 n. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Ta 276/04

Verkündet am: 17.01.2005

Tenor:

1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.10.2004 - 2 Ca 1907/04 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.300,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger erstrebt mit dem vorliegenden Verfahren die nachträgliche Zulassung seiner am 05.07.2004 zum Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Kündigungsschutzklage.

Der antragstellende Kläger war seit 02.05.1988 bei der Beklagten, die ca. 80 Arbeitnehmer beschäftigt, als Elektriker mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von rund 3.100,- EUR beschäftigt.

Mit Schreiben vom 15.04.2004, welches dem Kläger am gleichen Tag zuging, erklärte die Beklagte die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2004. Im Kündigungsschreiben (Bl. 16 d. A.) wird auf einen Spesenbetrug des Klägers als Kündigungsgrund abgestellt.

Der Kläger erhob unter dem 17.04.2004 "Einspruch" gegen die Kündigung. Auf den Inhalt des Einspruchschreibens wird verwiesen (Bl. 20 und 21 d. A.). Am 13.05.2004 erläuterte der Kläger unter Beisein des Zeugen R dem Geschäftsführer der Beklagten den Sachverhalt, den dieser u. a. ablehnend zur Kenntnis nahm.

Per Fax, am 05.07.2004 bei Gericht eingehend, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, verbunden mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung.

Zur Begründung seines Antrags brachte der Kläger erstinstanzlich vor, der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm bei Übergabe der Kündigung am 15.04.2004 die fristlose Kündigung für den Fall angedroht, dass er Klage erheben würde. Diese Androhung sei vom Geschäftsführer der Beklagten in einem weiteren Gespräch am 13.05.2004 wiederholt worden. Trotz Kenntnis von der 3-Wochen-Frist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage habe er eine Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig erhoben, da er durch die Androhung der fristlosen Kündigung gefürchtet habe, nie wieder eine Arbeitsstelle erlangen zu können, wenn ihm fristlos gekündigt würde.

Der Kläger hat die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage, die Beklagte dessen Zurückweisung beantragt.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Behauptung der Androhung einer fristlosen Kündigung sei unzutreffend. Richtig sei vielmehr, dass dem Kläger bei Ausspruch der ordentlichen Kündigung mitgeteilt worden sei, dass die Kündigungsgründe auch eine fristlose Kündigung rechtfertigten, wovon man allerdings aus sozialen Erwägungen absehen wolle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die beiderseits eingereichten Eidesstattlichen Versicherungen, sowie alle sonstigen vorgelegten Unterlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 29.10.2004 den Antrag auf nachträgliche Zulassung zurückgewiesen.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, selbst wenn der Vortrag des Klägers hinsichtlich der behaupteten Androhung einer außerordentlichen Kündigung als zutreffend unterstellte würde, entspräche es nicht der Anwendung aller dem Kläger nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt, dass er erstmals am 28.06.2004, mithin er zweieinhalb Monate nach Übergabe der Kündigung einen Rechtsanwalt aufgesucht und sich habe beraten lassen. Da dem Kläger die 3-Wochen-Frist bekannt gewesen sei und nach eigenem Vorbringen auch in Gesprächen mit mehreren Personen die 3-Wochen-Frist zur Klageerhebung angesprochen worden sei, hätte es zu der dem Kläger zuzumutenden Sorgfalt gehört, umgehend nach Kündigungszustellung einen Rechtsanwalt zur Beratung aufzusuchen. Da der Kläger unmittelbar nach Kündigungsübergabe auch für 2 Wochen beurlaubt gewesen sei, hätte er für das Aufsuchen eines Rechtsanwalts genügend Zeit gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom 29.10.2004 (Bl. 66-68 d. A.) Bezug genommen. Gegen den am 09.11.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21.11.2004 eingelegte sofortige Beschwerde.

Zur Begründung des Rechtsmittels bringt der Kläger weiter vor, durch die Androhung einer fristlosen Kündigung für den Fall der Erhebung einer Kündigungsschutzklage sei er - der Kläger - so beeindruckt gewesen, dass er aufgrund des durch die Drohung hervorgerufenen Angstzustandes im Hinblick auf sein weiteres berufliches Fortkommen sich nicht in der Lage gesehen habe, gegen die Kündigung vorzugehen. Die von der Beklagten dargestellte Drohung, habe bei ihm eine Zwangslage hervorgerufen, aus der er sich erst Ende Juni 2004 habe lösen können. Die von der Beklagten vorgelegte Eidesstattliche Versicherung des Zeugen R , sei erst ca. 6 Monate nach dem Kündigungsgespräch und der Übergabe der Kündigung abgegeben worden. Ein Sachvortrag zu einer möglichen Berechtigung einer fristlosen Kündigung sei nicht erfolgt und auch nicht glaubhaft gemacht. Dass er - der Kläger - mit einer Vielzahl von Personen über den entsprechenden Sachverhalt gesprochen und diesen gegenüber den aus seiner Sicht ungeheuerlichen Vorgang erläutert habe, ergäbe sich aus einer Vielzahl von ihm vorgelegter Eidesstattlicher Versicherungen. Die Drucksituation, in der er sich befunden habe, würde durch die Beurlaubung für die Dauer von 2 Wochen weiter deutlich. Den zeitlichen Möglichkeiten zur Erhebung der Kündigungsschutzklage, die das Arbeitsgericht in seiner Begründung anführe, stünde entgegen, dass er - der Kläger - durch die Androhung der fristlosen Kündigung, wie auch der ausgesprochenen Beurlaubung nicht in der Lage gewesen sei, einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Er habe nicht mehr klar denken können.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 22.11.2004 (Bl. 74-76 d. A.) sowie die spätere Ergänzung mit Schriftsatz vom 22.12.2004 (Bl. 86-87 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat zweitinstanzlich beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - 2 Ca 1907/04 - vom 29.10.2004, zugestellt am 09.11.2004, wird aufgehoben und die Klage nachträglich zugelassen.

Die Beklagte hat

Zurückweisung der sofortigen Beschwerde

beantragt und sich auf die Entscheidungsgründe in dem Beschluss des Arbeitsgerichts bezogen.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 03.12.2004 nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 KSchG statthafte und gemäß § 78 S. 1 ArbGG n. F. i. V. m. §§ 567 Abs. 1, 569 ZPO n. F. form.- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 05.07.2004 zurückgewiesen. Daran ist auch bei Einbeziehung und Würdigung des ergänzenden Vorbringens des Klägers in seiner Beschwerdebegründungsschrift vom 22.11.2004 festzuhalten.

1.

Die nachträgliche Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach der Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 KSchG).

An der Versäumung der Klagefrist darf der Arbeitnehmer in der Regel keinerlei Verschulden treffen, auch nicht in Form leichter Fahrlässigkeit, da die Einhaltung der Klagefrist der Rechtssicherheit dient (vgl. Ascheid, Erfurter Kommentar, Kündigungsschutzgesetz, § 5 Rz 2 m. w. N.). Maßgebend ist, was von dem Arbeitnehmer, der den Zulassungsantrag gestellt hat, in seiner konkreten Situation und seinem konkreten Fall an Sorgfalt gefordert werden konnte. Im Hinblick darauf, dass einem Arbeitnehmer bei der Verfolgung einer für ihn so wichtigen Angelegenheit, ob nämlich sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wird oder nicht, eine gesteigerte Sorgfalt abverlangt werden muss, ist bei der nachträglichen Zulassung der verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage ein relativ strenger Maßstab anzulegen (vgl. zutreffend LAG Düsseldorf, Beschlüsse vom 21.10.1997 - 1 Ta 321/97 = LAGE § 5 KSchG Nr. 89, vom 17.07.2002 - 15 Ta 291/02).

Gemessen an diesen Grundsätzen konnte auch bei Zugrundelegung des vertiefenden Sachvortrages des Klägers in der Beschwerdebegründung nicht festgestellt werden, dass er die Klagefrist des § 4 KSchG unverschuldet versäumt hätte. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf seinen mit Eidesstattlicher Versicherung belegte Behauptung, ihm sei für den Fall der Klageerhebung gegen die ausgesprochene Kündigung mit einer fristlosen Kündigung gedroht worden und dadurch in eine erst Ende Juni 2004 lösbare Zwangslage geraten, vermag dem die Berufungskammer nicht zu folgen. Aus dem unter dem 17.04.2004 unmittelbar nach Zugang der Kündigung abgefasste Einspruchschreiben an den Geschäftsführer der Beklagten (Bl. 20 d. A.) geht hervor, dass der Kläger mit aus seiner Sicht gegebenen Gründen von der Unwirksamkeit der Kündigung ausging. Das Schreiben ist inhaltlich klar gefasst und auf die Bitte der Rücknahme der Kündigung gerichtet. Diese subjektive Einschätzung - mithin das Nichtgegebensein der Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung aus Sicht des Klägers - hätte in ihm die Erkenntnis reifen lassen müssen, dass erst Recht keine fristlose Kündigung in Betracht gekommen wäre und letztlich auch Veranlassung sein müssen, spätestens nach dem Scheitern des am 13.05.2004 mit dem Geschäftsführer geführten Gesprächs und nicht erst zweieinhalb Monate später Klage zu erheben. Spätestens nach diesem Gespräch war klar, dass die Beklagte von ihrer Position einer berechtigten ordentlichen Kündigung nicht abrückte. Ein bloßes Aufsuchen eines Rechtsanwaltes hätte allein noch nicht zu einer - nach dem Vortrag des Klägers angedrohten - außerordentlichen Kündigung geführt. Es bleibt daher ohne nachvollziehbare Gründe, warum der Kläger, dem die 3-Wochen-Klageerhebungsfrist nach eigenem Bekunden bekannt gewesen ist, solange Zeit "blockiert" war und mit der Klageerhebung bzw. Antragstellung zugewartet hat. Auch bei einer ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung wäre die Klagemöglichkeit eröffnet gewesen.

Von einem arglistigen Abhalten von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage (vgl. Ascheid in Großkommentar zum Kündigungsrecht, § 5 KSchG Rz 16) kann auch unter Berücksichtigung der nach Ausspruch der Kündigung erfolgten 2-wöchigen Freistellung des Klägers nicht ausgegangen werden, da nach dem Stand der Rechtsprechung hiervon grundsätzlich nur die Fälle erfasst werden, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die "Rücknahme" einer Kündigung einstzunehmend in Aussicht gestellt hat. Diese Situation lag nicht vor.

Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger nach § 97 ZPO zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Streitwert der Kündigungsschutzklage (§ 42 GKG).

Auch nach der am 01.01.2002 in Kraft getretenen Änderung des Beschwerderechts ist die Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Verfahren der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG nicht statthaft (vgl. BAG, Beschluss vom 20.08.2002, 2 AZB 16/02).

Ende der Entscheidung

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